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1 Tag aus dem Leben eines Proges-Psychotherapeuten

Der Proges bietet Therapie im Auftrag der OÖGKK an. Mit den Angeboten Psychotherapie, Logotherapie, Ergotherapie und Physiotherapie bekamen die PatientInnen im Jahr 2015 rund 20.000 Therapiestunden. Thomas Weingraber, Psychotherapeut bei uns im Haus, hat für uns die Eindrücke und Gedanken zu seiner Arbeit zusammengefasst.

Ein frühlingshafter Donnerstagmorgen …

Zum ersten Mal zeigen sich wieder die gelben Blüten am Baum hinter der Landesgalerie und auch die beiden  rosa-blühenden Büsche vor der schönen Westfassade des Museumsgebäudes schmücken seit einigen Tagen erneut den kleinen Park.

In unserem Gebäude schräg gegenüber herrscht schon reges Treiben. Die Wassergläser den Gang hinunter balancierend begegne ich Kollegen und Kolleginnen und den MitarbeiterInnen der Büros im ersten Stock; ein Lächeln, eine Begrüßung und wenn es die Situation erlaubt und anbietet eine spaßige Geste, ein kurzer anteilnehmender oder humorvoller Austausch – vielleicht auch inspiriert durch unsere hier im Stockwerk beheimateten Cliniclowns…

Im Praxisraum stelle ich die Wassergläser ab und schalte den PC ein. Ein Sonnenstrahl gibt heute dem in blaugrau und schwarz gehaltenen Picasso-Druck über dem Schreibtisch einen sanften gelben Schein.

Die sechs Menschen, die heute zu mir kommen, sind alle in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen. Um einen beispielhaften  Eindruck abzugeben, stellen wir uns - wie Gantenbein in Max Frisch`s  Roman -  vor:  Es kämen eine  10jährige Schülerin, eine über 80jährige Hausfrau und mehrfache Großmutter, ein 40jähriger Fabriksarbeiter und zweifacher Vater, eine 30jährige kinderlose Akademikerin, ein 16jähriger Jugendlicher und ein 60jähriger Frühpensionist .

Ähnlich unterschiedlich und vielschichtig sind bei meinen derzeitigen, tatsächlichen KlientInnen auch die am Anfang stehenden Problemthemen und Erkrankungen.

Dass ich in der Zusammen+Arbeit mit all diesen Menschen die mannigfaltige Bandbreite des Lebens wahrnehmen darf, bereichert nicht nur meine Arbeit. Sie erweitert ständig meinen Erfahrungshorizont. Für jeden Kontakt bin ich dankbar.

Denn hinter allen systemischen, tiefenpsychologischen, körperpsychotherapeutischen, verhaltensmusterorientierten und humanistischen Methoden, die zur Anwendung kommen, ist für mich das Wesentliche eine ehrlich anteilnehmende, wohlwollende,  humorvolle und vor allem an keine Gedankenkonstruktionen angehaftete Haltung in der Begegnung mit jenen Menschen, die mir durch den Proges anvertraut wurden  und die sich mir und sich im Laufe der Therapie zunehmend selber anvertrauen.

Es ist -  um es in den Worten des Heidelberger Systemikers Dr. Arnold Retzer zu sagen - jene lösungsorientierte und zugleich offene Haltung, die den Klienten die Gelegenheit gibt, von der Rolle eines „Problemopfers“ Schritt für Schritt in die Rolle eines „Lösungstäters/einer Lösungstäterin“  wechseln zu können, also sich des Problems zu ermächtigen und die Regie für das eigene Leben wieder so gut es geht  zu übernehmen .

Dabei sind die schönsten Momente jene, wenn tiefe Berührung im Wesenskern der Klienten entsteht und damit wesentliche Integration möglich wird, durch eine Intervention, einen Satz, wenn ein zentrales Thema in einem neuen Zusammenhang für die Klienten erfahrbar und durch den sprachlichen Ausdruck auch handhabbar wird, also  aus dem „unmarkierten Raum des bisher nicht Benannten“ ins Licht des gestaltbaren „markierten Raumes“ rückt. 

Letzte Woche habe ich zu Franz, unserem Chef gesagt: Psychotherapie käme auf leisen Pfoten, sie sei kein chemischer oder chirurgischer Eingriff, kein fassbares Werkstück am Ende des Tages. Sie hat einen eher sphärischen und zugleich zutiefst sublimen Klang wie etwa der Piano-Einsatz der Klarinette im Adagio von Mozarts gleichnamigem und letztem Instrumentalkonzert. Sie gleicht nicht dem Forte-Einsatz der Blechbläser in Richard Wagners Walkürenritt -  mit solch einem Auftritt kommt ohnehin oft  das Leben selbst „in unser Leben hinein“.

Psychotherapie erzeugt eher einen Sog als einen Druck, ist mehr Konjunktiv als Indikativ, ist letztendlich eine Einladung, eine Einladung, sich selbst zu begegnen, eine Einladung an das Leben mit seinen vielen Schichten und seiner wiederzuentdeckenden  brüchigen Schönheit.

TW