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Angst in Zeiten der Ungewissheit

Neben Depressionen bekommen Angsterkrankungen immer mehr Gewicht, wenn es um „psychische Zivilisationskrankheiten“ geht. Am Tag der psychischen Gesundheit am 10. Oktober 2024 setzt PROGES als innovationsgetriebene Non-Profit-Organisation am österreichischen Gesundheitsmarkt einen inhaltlichen Schwerpunkt zum Thema Angst. „Zeiten des Umbruchs sind ein guter Nährboden für Angsterkrankungen“, weiß Dr. Heidrun Eichberger-Heckmann, Fachleitung Psychotherapie bei PROGES.

Psychische Erkrankungen entstehen durch eine komplexe Wechselwirkung verschiedener Faktoren wie Genetik und Umwelt, aber auch die Biologie und Psyche des Einzelnen spielen eine Rolle bei der Entstehung. Der Einfluss von Alkohol, Drogen oder bestimmten Medikamenten ist hier in seiner Wichtigkeit nicht zu unterschätzen.

Der Österreichische Bundesverband für Psychotherapie schätzt anhand von Studien, dass schon vor der Pandemie psychische Erkrankungen jährlich Kosten von rund 13,9 Milliarden Euro verursachten. Tendenz: steigend. (siehe www.psychotherapie.at/forschung/zahlen-daten-fakten) Seit mehr als einem halben Jahrzehnt treten psychische Erkrankungen wie „Angst“, „Angst und Depression gemischt“ sowie „somatoforme Störungen“ (= wenn sich eine psychische Belastung hinter körperlichen Symptomen verbirgt) im Ranking der häufigsten Krankheitsbilder der Österreicher immer weiter in den Vordergrund. „Schätzungen zufolge haben etwa 25-30 % der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens mit psychischen Symptomen und Erkrankungen zu kämpfen, aber nur 30 % der Betroffenen nehmen die kassenfinanzierten Hilfsangebote in Anspruch. Bei einer jährlichen Bedarfszahl von 3-7 % der Gesamtbevölkerung ergibt sich ein Versorgungsbedarf für etwa 125.000 bis 250.000 Patienten“, umreißt der Österreichische Bundesverband für Psychotherapie auf seiner Webseite. (Versorgungswirksamkeit von Psychotherapie in Österreich | psychopraxis. neuropraxis (springer.com))

Die Zeit nach der Pandemie, die Wahlen in den USA und anderen Ländern, Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten, instabile Wirtschaftssysteme, schwierige migrationspolitische Situationen, belastete Jugendliche und Erwachsene, eine verwirrende, „social media“- und kommerzgetriebene Internetwelt: Das sind Themen, die dafür sorgen, dass Angst ein ständiger Begleiter moderner Menschen ist.

Als Therapeuten unterscheiden wir Angst und Furcht. Angst entsteht in mehrdeutigen Situationen. Angst ist ein allgemeines, unbestimmtes Gefühl der Besorgnis. Furcht dagegen entsteht, wenn es eine klare Bedrohung gibt. Furcht ist auf eine äußere Gefahr hin ausgerichtet“, definiert Thomas Pilhatsch, MSc. (Psychotherapeut bei PROGES). „Im Alltag begegnet man solchen Kategorien in den Arten von Angststörungen. Einige sind mit konkreten Auslösern verbunden, so genannte Phobien. Andere Angststörungen existieren ohne konkreten Auslöser, ohne Hinweis auf eine reale Gefahrensituation.“

Der Angst begegnen Herr und Frau Österreicher alltäglich: „Flugangst“, „Angst vor Tieren“ oder Umweltphänomenen, „Angst vor großen Höhen“ oder Arztbesuchen sind nur einige aus einem umfangreichen Katalog möglicher „Triggerphänomene“. Wenn man dann als Betroffene/r eine Vermeidungshaltung einnimmt, kann das zu einer kurzfristigen Erleichterung führen. Langfristig engt man jedoch die eigenen Möglichkeiten, ein normales Leben zu führen, stark ein. Ähnlich verhält sich das mit Panikstörungen. Die Betroffenen von solchen „Panikattacken“ berichten von körperlichen Reaktionen wie Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüchen, Atemnot.

Das kann als zutiefst verstörend empfunden werden, man glaubt in Ohnmacht zu fallen, einen Herzinfarkt zu erleiden, zu sterben oder verrückt zu werden. Auch hier vermeiden die Betroffenen nach dem Erstkontakt mit einer Panikattacke sehr viele Situationen, in denen sie keine schnelle Hilfe bekommen oder aus denen sie nicht schnell fliehen könnten.

Typisch sind auch Konzentrationsprobleme oder Schlafstörungen. Häufig können Betroffene auch nicht angeben, wovor sie genau Angst haben. Grübelei über eventuell eintretende Schicksalsschläge gehören ebenso dazu, bis hin zur Sorge über die eigene, permanente Besorgtheit. Fallweise spielt dann auch Depression eine besondere Rolle: Wenn jemand sich durch Ängste immer eingeschränkter fühlt, treten Hoffnungslosigkeit und Niedergeschlagenheit in den Vordergrund.“

Für den Ernstfall lassen sich folgende Praxistipps ableiten: Wenn man an sich selbst oder nahestehenden Menschen längerfristig wirksame Angstsymptome bemerkt, sollte man, ohne zu zögern Hilfe suchen. Scham ist hier fehl am Platz, denn in unserer modernen Gesellschaft gibt es für alle Belange und Probleme Experten. Bei einem Bandscheibenvorfall suchen wir einen Orthopäden auf, bei rechtlichen Fragen einen Anwalt. Wenn wir diesen Spezialisten einen Besuch abstatten, käme niemand auf die Idee, das als „Schwäche“ oder „Versagen“ anzusehen. Bei einem Psychotherapeuten macht dies ebenfalls keinen Sinn.

Ängste und ihre Begleiterscheinungen lassen sich heute gut behandeln. Wünschenswert wäre die Versorgung durch einen Facharzt (Psychiater) und einen Psychotherapeuten. Die Einbeziehung weiterer Professionen und Institutionen aus Bereichen wie etwa Schuldner- und Erziehungsberatung, Sozialarbeit, Physio- und Ergotherapie kann dabei unterstützend sinnvoll sein. Auch die Inanspruchnahme von spezialisierten Selbsthilfegruppen ist zu empfehlen. Nur durch gemeinsame gesellschaftliche Anstrengungen wird es möglich sein, die Wucht von psychischen Zivilisationskrankheiten wie eben der Angst wirksam zu bremsen“, so T. Pilhatsch abschließend.